Ich bin ein großer Olli Schulz- Fan. Vor allem aber ein Fan seiner Texte und seines Talents zu Erzählen. Ich weiß noch genau, was die ersten Worte waren, die ich jemals auf einer Bühne von ihm hörte: “Ich habe keine Band, aber hey dafür habe ich eine Powerpoint- Präsentation.” Das war damals 2012 in der Darmstädter Centralstation. Nicht unten in der großen Halle, sondern im beschaulichen zweiten Stock mit Sitzreihen. Ein sehr, sehr schönes Konzert. Damals war Olli schon ab und an bei NeoParadise aber das ganze war noch nicht so gigantisch.
Dann kam Circus Halligalli, dann kam der Rangel- Song und Verhaftet wegen sexy. Und bei mir kam die Angst. Ich habe Olli 2014 drei Mal live gesehen. Zweimal im Rahmen eines Festivals (Nordlicht, Heimspiel Knyphausen) und einmal in eben jener Centralstation. Inzwischen in großem Rahmen und mit deutlich mehr Publikum. Olli machte damals die Ansage, dass das sein Musik- Ding sei und er keine Sachen aus dem Fernsehen bringen würde- das beruhigte mich ein Stück weit.
Nur damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich mag Circus Halligalli und ich bin sicher Niemand, der Dinge sagt wie “Früher warst du weniger Kommerz blabla”; ich freue mich, dass Olli Schulz durch das Format bekannter geworden ist, denn das hat er verdient. Er hat es verdient, dass viele Leute seine Konzerte besuchen. Und auch wenn er stets beteuert hat, dass seine Musik auf einer ganz anderen Schiene läuft, als der Fernsehkram, hatte ich doch die Befürchtung, dass es auf ein Album à la Rangelsong hinausläuft. Und das von Jemandem, der so großartige Lieder, wie Armer Vater, Rückspiegel, Koks und Nutten, Das letzte Königskind und So lange einsam geschrieben hat. Der inzwischen eine so großartige Band im Rücken hat. Reinste Verschwendung.
Lange Rede, kurzer Sinn: Es ist nicht passiert. Olli Schulz hat mit Feelings aus der Asche (Allein dieser Titel!) für mich bereits das beste Album 2015 gemacht. Im Januar. Tja, leider Pech für alle Künstler, die dieses Jahr auch noch veröffentlichen.
So muss es beginnen lautet der Opener und sagt damit eigentlich schon alles aus. Ich habe das Lied bereits mehrmals live gehört und war jedes Mal wieder davon begeistert. Einerseits weil es mich vom Arrangement her so mitreißt und andererseits, weil ich mich textlich haargenau hinein fühlen kann.
In den zweiten Track Phase habe ich mich während des Record Release Konzerts so richtig verliebt, obwohl ich es auch schon vom Heimspiel Knyphausen kannte. Trotzdem. Ich bin gerad’ in so ‘ner Phase… liefert plötzlich die Antwort auf alle dummen Fragen, die man im Alltag so gestellt bekommt. Danke!
Es folgt Kinder der Sonne, schwermütig mit einer schönen, rührenden Geschichte, die zu Grunde liegt. Aber die werde ich nicht erzählen, dass muss Olli selbst tun und ihr solltet hingehen und ihn euch ansehen. Es lohnt sich. Nicht nur wegen dieser Erklärung.
Passt schon verwirrt mich anschließend zu tiefst. Das ganze letzte Jahr über habe ich gedacht, dass Olli gefallen an seiner Fernseh- Rolle gefunden hat; das er trotzig auf jedem Konzert rechtfertigen muss, dass das total Spaß macht und keinen Einfluss auf seine Musik hat und dann kommt dieser Text. Ein Text, der eigentlich genau das Gegenteil ausdrückt und alle negativen Seiten des sogenannten “Business” beleuchtet. Vielleicht berührt mich das tiefer, als jede Ballade. Nicht, weil Olli so empfunden hat, denn das klingt alles ziemlich bitter, sondern weil er sich eben nicht hat blenden lassen, sondern immer noch der alte ist. Special Love für die Zeile Ich trank schon jeden Cappuccino in Berlin.
Wie beim vorausgegangenen Album auch schon wird das folgende Boogieman durch einen Gesprächsfetzen eingeleitet. Ich mag das. Das ist für mich ein Stück weit “Olli Schulz- Style”, wenn es sowas gibt. Nebenbei mag ich das schwerfällige Arrangement mit dem Piano. In der Ecke verwest ein Klatschjournalist, die Welt abgelichtet und kein Rätsel gelöst- Trotz ernstem Text musste ich einfach laut auflachen. Treffender kann man es kaum formulieren.
Mein absolutes, absolutes, absolutes Lieblingslied der Platte Als Musik noch richtig groß war gefällt mir besonders vom Stil her. Wäre ich jetzt einer dieser ätzenden Internetmenschen (Hach, bin ich ja juchu!) würde ich sagen: Das ist der Olli Schulz, den ich kenne. Den ich liebe. Den ich immer wieder hören möchte. Er schlägt eine Brücke von der Vergangenheit bis in die aktuelle Gegenwart und das mit so treffenden Worten, dass man pausenlos zustimmend nicken und seufzen will: Dauer- Repeat.
Vielleicht ist Dschungle das einzige Lied auf dem Album mit dem ich mich nicht so richtig anfreunden kann. Ich weiß nicht genau warum, vielleicht muss ich es noch ein paar Mal hören, momentan skippe ich es allerdings des öfteren. Was nicht ungewöhnlich ist. Mir gefallen meistens nicht alle Lieder einer Platte und bei Olli ist es tatsächlich so, dass meistens die Songs sind, die deutlich weniger lang sind, als der Rest der Platte (oder es sind Skits). Ein Beispiel wäre da zum Beispiel human of the week von das beigen Album. Was aber live zusammen mit einer Geschichte hervorragend funktioniert und vielleicht ist es ja mit Dschungle genauso.
Das kann hässlich werden zeigt genau das auf, was der Titel schon aussagt. Die Momente, wenn es hässlich werden kann. Messerscharf beobachtet und vor allem gleich noch diese fürchtlichen Liebes- Schlösser an Brücken dissend. Ganz ehrlich: Was gibt es unromantischeres als ein langsam vor sich hinrostendes Schloss? Was für eine schreckliche Metapher für die Liebe.
Unter meinen Top drei des Albums findet sich Mann im Regen. Auffällig ist, dass meine drei Lieblinge ausgerechnet die Songs sind, die auch am längsten Dauern. Vielleicht mag ich das. Vor allem bei Olli. Ich lauf mal wieder durch die Wälder; hab den Hund dabei; ich war schon lang nicht mehr allein. <3
Ebenfalls unter diesen langen Lieblingsliedern findet sich der Album Titel in Gestalt des letzten Songs: Feelings aus der Asche. Es berührt so tief. Es ist so traurig. So schön traurig. Das Arrangement, die Art des Gesangs, der Text. Selten, dass mich ein Lied in letzter Zeit so berührt hat. Eine Ballade, wie ich sie mir auf dem neuen Farin Urlaub Album gewünscht hätte, aber Olli schreibt seine Songs, vermute ich einfach mal, ganz anders und somit ist das auch möglich. Anhören. Wunderschön. Wunderschön schrecklicher Herzschmerz.
Fazit:
Ich habe gelesen, Feelings aus der Asche wäre eine “Midlife Crises”- Platte und ich frage mich, ob Jemand, der so etwas schreibt, nur immer happy go lucky ist und wenn ja, welche Drogen er konsumiert.
Für mich ist die neue Olli Schulz Platte definitiv auch ein Stück weit ernster, als die Vorgänger, aber sie ist vor allem eins: ehrlich.
Kein aufgesetztes Show- Gelaber, keine überzeichnete Komik. Olli hat das gehalten, was er in den letzten Jahren versprochen hat, ich aber nicht glauben wollte: Die TV- Präsens wird keinen negativen Einfluss auf sein Album haben. Und das stimmt: Es ist einfach ein reines Stück Musik auf Vinyl.
Die lustigen Skits, die es bei früheren Platten gab, fehlen und sie wären auch diesmal vollkommen fehl am Platz. Olli Schulz berührt beim Schreiben viele verschiedene Gemütszustände und lässt dabei auch nicht die weniger schönen Fassetten des Lebens außen vor. Denn die gibt es immer, da muss man sich nicht selbst belügen.
Mich hat die Platte überzeugt. Ja, ich bin froh, dass sie so ist, wie sie ist; das meine Vorahnungen Lügen gestraft wurde. Und das Olli Schulz ist wie er ist.
Das Leben ist nun mal kein Rangel- Song.
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